„Wo die Ostseewellen trecken na den Strand, dor is mine Heimat dor bün ick to hus“
In diese Heimat hatte ich eingeladen, zur Hansesail 2024! Vom Rostocker Stadthafen bis vor die Warnemünder Mole, raus auf die offene See. Einmal auf den Ostseewellen schaukeln und den Schonern, Briggs, Windjammern, Fregatten und Yachten beim Aufziehen und Einholen ihrer Takelage zuzuschauen. Den Passagieren auf der Aida ein Spektakel in den kleinsten Booten auf dieser Weltgrößten Parade von Traditionsschiffen bieten. Gern hätten wir zu den Passagieren hoch gewunken, doch Kabbelige See mit Wellen von bis zu „einem Meter Höhe“ hielten unsere Hände an den Paddeln wie festgewachsen. „De Plattdütsche Wederbericht“ hatte uns gewarnt: „Ok hüt is de Wind wedder pustig“ – man könnte es mit leicht Stürmisch übersetzen. Auf der Mittelmole standen die Urlauber dichtgedrängt. Wir hatten es fast besser: Zwischen zwei Großseglern, Kreuzfahrtschiff und Strom-Fähre von Steuerbord sowie Fahrgastschiff, Dampfeisbrecher und Strom-Fähre von Backbord und eine auf uns zu eilende Überseefähre auf dem Weg nach Gedser von hinten sowie aufgetakelter Yacht von vorn gab es immer noch eine Woge auf der wir Richtung Ostsee surfen konnten. Durch Lautsprecheranlagen am Kai wurden alle Schiffe die den Lotsenturm von Hohe Düne passierten angesagt; mit Namen, Baujahr, Takelagegröße und Heimathafen und immer auch ein bisschen Geschichte und Geschichten dazu. Die Ladungen, Touristen aus aller Welt, winkten den Touristen aus aller Welt auf der Mole zu und diese zurück, manchmal so wild, dass man den Eindruck hatte, sie seien für die Windböen verantwortlich. Alle Ansagen konnten wir nicht verstehen, immer wieder stießen die großen Pötte in ihre Signal- und Nebelhörner, um die noch größeren Pötte zu grüßen, die umgekehrt sich verhielten, wie die Urlauber beim Zurückwinken. Doch dann wurden auch wir angesagt; die kleinsten „Schiffe“ dieser Parade entlang der Unterwarnow und ja, irgendeiner hatte es auch gehört, es wurde von Leipzigern gesprochen. Woher wussten die Lautsprecher, dass wir da sind? Wahrscheinlich lag es daran, dass Leipziger überall zu finden sind oder noch besser: sich überall angesprochen fühlen. Vielleicht war es aber auch der Rostocker Fahrtenleiter der uns rief und uns informierte, dass wir in den Hafen des Warnemünder Olympiastützpunktes der Segler einbiegen sollen, weil die offene See und vor allem die Brecher an der Molespitze, bei Böen in Stärke 7 zu gefährlich wären. Egal, wir nahmen die Warnung ernst. Ab in den Hafen gleich neben dem alten Strom. Hier endete unsere Tour durch Mecklenburg, immer auf der Warnow entlang. Die Rückfahrt zum Rostocker Kanu Club am Mühlendamm mit einberechnet, immerhin 100 km in drei Tagen.
Kathleen und Petra erwarteten uns bereits am Hafenkai, um in unsere glücklichen Gesichter zu schauen: Mike war glücklich gegen die Wellen gewonnen zu haben und seinen Outrigger den Neugierigen Hansesail-Besuchern zu erklären; Kerstin und Dirk waren glücklich noch ein Eimerchen Matjes erstanden zu haben; ich war glücklich durchgehalten zu haben und nur Alfred wollte wissen, wann endlich die hohen Wellen kommen und Hinnerk fragte, mit was wir diese Ausfahrt nächstes Jahr toppen können. Petra war glücklich sich gegen die Rückenschmerzen beim Bootfahren entschieden zu haben und mit Kathleen das letzte Stückchen aufs Fahrrad umgestiegen zu sein. Was Kathleen glücklich machte? Sicherlich alle bestens versorgt zu haben. Vincent strahlte ebenfalls, bestimmt, weil gegen Wind und Wellen paddeln genauso anstrengend war wie ein Triathlon, von dem er uns am Abend berichtete. Am Abend trafen wir auch Uwe, Ramona und Ellen wieder. Sie waren glücklich eine extra Stadtführführung per Boot am Ufer des Rostocker Stadthafens bekommen zu haben, auch Astrid und Ingolf hatten an der extra Führung teil. Außerdem waren sie glücklich nicht in den 19:00 Uhr Nachrichten als Vermisste gesucht zu werden. Sabine krabbelte aus ihrem Wohnmobil und war glücklich einen Tag Ruhe gehabt zu haben.
Nur nach Warnemünde hinkommen mussten wir erst einmal. Dafür hatten wir uns bereits am Mittwoch getroffen: Im Naturdorf Eickhof. Mitten in Mecklenburg. Die schönsten Plätze waren für uns reserviert, eine Wiese direkt an der Warnow. Und die Warnow wurde noch einmal richtig aufgefüllt. Die Bauern der Umgebung wussten, dass das mit der Gießkanne von ganz oben häufig auch daneben geht und hatten Sorge Ihre Ernte trocken in die Scheunen zu bekommen und wir hatten Sorge, dass die Bauern unseren kleinen Zelte auf ihren riesigen Traktoren mit denen sie durchs Dorf donnerten bemerkten. Der Regen kam nicht nur pünktlich nach dem aufschlagen der Zelte, sondern auch reichlich. Die Bauern stellten Ihre Ernterally ein und wir rutschten unter undichtem Holzdach und zu kurzer Zeltplane zusammen, um mit frisch geräucherten Aal und Rauchforelle nicht nur die Finger fettig zu bekommen, sondern auch die entsprechenden Kalorien, für die am Donnerstag geplante erste Etappe, auf die Rippen zu bekommen.
36 km von Eickhof nach Schwaan über Bützow. Leider sind die Tiere im plattgestampften Mecklenburger Land nicht so an den Großstadtlärm adaptiert wie Leipziger Enten auf der Elster. Es blieb aber noch genug Natur, wenn eben keine Fauna, wenigstens Flora. In Bützow schlichen wir uns dann an, um wenigstens ein paar Eingeborene beobachten zu können: Tatsächlich im rechts und links mit bunten Bungalows bebauten Bützower Warnowkanal stand er dann, mitten im Wasser. Der Mann mit der Sense. Bis zu den Schultern im dunklen Warnowwasser verschwunden stütze er sich auf sein „urzeitliches Mähgerät“. Wir schauten uns erschrocken an. Wer von uns war dran? Nein! Nur den Schlingpflanzen und anderen wuchernden Wasserunkraut machte er mit seiner scharfen Sense den Garaus, damit Paddler wie wir es bis zum Bützower See schafften. Auf diesem, bzw. seinem Ufer erwarteten uns die Paddelfreunde vom Kanuclub Bützow mit Kaffee nach Wahl. Kathleen und Sabine standen auch schon mit frisch belegten Brötchen und gekühlten Getränken bereit. Ein bisschen kamen wir uns vor wie auf der Tour de Franc: Rechte Hand ausstrecken und es gab etwas zu essen, linke Hand ausstrecken und es gab etwas zu trinken. Und, tatsächlich! Hatten wir die ersten 20 km mit einer durchschnitts Geschwindigkeit von nur 6 – 7 km/h zurückgelegt, schossen wir dann mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h beinahe am Zeltplatz Sandgarten vorbei. Aber eben nur fast. Auch die Nichtcamper schlugen ihre Zelte diesmal routiniert auf und kaum waren diese eingerichtet, duftete es auch schon vom Grill.
Am Freitag übten wir auf dem mittlerweile immer träger sich dahinschlängelnden Fluss das auf- und abziehen der Spritzdecken, sowie das an- und ausziehen der Regenjacken im Boot. Doch kaum konnten wir dem Regen trotzen, lugte Klärchen wieder hervor. Allerdings nur solange, bis wir Regenjacke und Spritzdecke wieder verstaut hatten und die gleiche Prozedur begann von vorn. Wer Sieger bei dieser absurden Bootsdisziplin wurde, weiß ich allerdings nicht mehr. Zum Abend hatten wir uns zu original Mecklenburger Spezialitäten verabredet. Treffpunkt: In Rostock, in der Gaststädte Stralsunder, in der Wismarschen Straße! Na eben dort, wo die drei größten Mecklenburger Hansestädte auf einander treffen. Irgendwann kam das Gerücht auf, dass wir mehr gegessen hatten als gepaddelt zu sein. Warum schon so früh, ohne den Grillabend vom RKC am Mühlendamm nach der Hansesail abgewartet zu haben, kann ich mir nicht erklären. Auch nicht erklären kann ich, ob das abschließende Feuerwerk im Rostocker Stadthafen nur zu unserer Freude gezündet wurde. Sicherlich auch für die anderen ca. 500.000 Besucher der Hansesail 2024, denn wir, die Paddeltouristen vom SG LVB Leipzig Abteilung Kanu, waren ja alle schon glücklich.
Liebe Grüße von Thomas „un allns een Handbreit Water unner’n Kiel.“